Microvision will Lidar-Technik für automatisiertes Fahren massentauglich machen.
Hamburg – Die Automobilindustrie arbeitet mit Hochdruck am nächsten Technologiesprung: dem automatisierten Fahren nach Level 3. Während Fahrer in heutigen Systemen (Level 2+) die Hände nur kurzzeitig vom Lenkrad nehmen dürfen, erlaubt Level 3 auch den Blick weg von der Straße – etwa auf das Smartphone.
Der Schritt gilt als entscheidend, weil er erstmals eine echte Entlastung des Menschen möglich macht. Hersteller wie BMW, Mercedes, Tesla, BYD und Xpeng investieren entsprechend viel in neue Sensorik. Aus Sicherheitsgründen, so heißt es branchenweit, führt an Lidar-Systemen kein Weg vorbei. Glen DeVos, CEO des Lidar-Spezialisten Microvision, formuliert es deutlich: „Lidar sind aus Sicherheitsgründen nötig, wenn man Level 3 anbieten will.“ Nachteil: Das „Laser-Radar“ ist extrem teuer.
Lidar-Sensoren erfassen die Umgebung eines Fahrzeugs mithilfe tausender Laserimpulse. Herkömmliche Systeme arbeiten dabei mit schnell rotierenden Spiegeln, die die Laserstrahlen im Raum verteilen. Aus den Reflexionen entsteht ein detailreiches 3D-Bild der Umwelt. Für Level-3-Systeme ist diese Präzision unverzichtbar: Nur wenn Hindernisse, Entfernungen und Bewegungen mit hoher Zuverlässigkeit erfasst werden, kann das Fahrzeug kurzzeitig selbst die Verantwortung übernehmen. Lidar-Sensorik kommt zudem zunehmend in der Industrie zum Einsatz, etwa bei autonomen Robotern in der Fertigung.
Kritisch bleibt heute vor allem der Preis. „Lidars können bis 4000, sogar 6000 Dollar kosten. Das ist für den Serieneinsatz viel zu teuer“, sagt DeVos. „Lidar ist die teuerste Komponente in einem automatisierten Auto. Die Kosten müssen sinken, wenn wir in die Serienproduktion gehen wollen.“ Klassische Sensoren mit beweglichen Teilen gelten als kostentreibend und komplex. Microvision verfolgt daher einen Festkörperansatz („Solid State Lidar“), der ohne bewegliche Spiegel auskommt. Das System soll kompakt, stromsparend und robust sein. Vor allem aber ist es nach Einschätzung des Unternehmens deutlich günstiger: „Seit 25 Jahren arbeiten Startups daran, die Kosten für Lidar zu reduzieren. Mit mäßigem Erfolg. Solid State bringt die Kosten auf ein akzeptables Niveau.“
Für die Automobilindustrie hat Microvision eine neue Architektur entwickelt, die die Sensorik weiter vereinfachen und verbilligen soll: die sogenannte Tri-Lidar-Architektur. Dabei werden mehrere, technisch weniger komplexe Festkörper-Lidar-Sensoren – etwa zwei Kurzstreckensensoren und ein Long-Range-Lidar – zu einem gemeinsamen System zusammengeschaltet. Durch dieses Verbundkonzept könne Microvision auf „das klobige und komplexe Langstrecken-Lidar“ verzichten, heißt es aus dem Unternehmen. Die Lösung soll weniger Energie verbrauchen, leichter integrierbar sein und sich flexibel für automatisierte Fahrfunktionen bis hin zum vollautonomen Fahren skalieren lassen. Der neue Kurzstreckensensor MOVIA S, der zwischen 60 und 180 Grad Sichtfeld bietet, bildet dabei eine zentrale Komponente.
Auch preislich will Microvision neue Maßstäbe setzen. „Der Zielpreis für unser Short-Range-Lidar liegt bei 200 Dollar. Unser Long-Range-Lidart kostet etwa 300 Dollar. Das ist ein Bruchteil dessen, was klassische Lidar-Systeme mit beweglichen Teilen kosten“, erklärt DeVos. Der Serieneinsatz erwartet er ab 2028. Gespräche mit mehreren Autoherstellern in Europa und den USA laufen bereits. „Wir rechnen mit einem ersten Serieneinsatz in Europa – möglicherweise in einem deutschen Auto“, sagt DeVos.
Während Tesla weiterhin auf Kameras setzt und dafür viel Kritik einstecken muss, glaubt Microvision unverändert an eine Kombination aus mehreren Sensorprinzipien. Dass Lidar in automatisierten Fahrzeugen künftig eine zentrale Rolle spielen wird, daran lässt CEO Glen DeVos keinen Zweifel: „Wir sprechen bereits mit verschiedenen Autoherstellern … und wir sehen großes Interesse an kostengünstigen, skalierbaren Lösungen.“
Guido Reinking
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