Im Audi e-tron GT von München nach Hamburg, im Toyota Mirai zurück. Danach ist ziemlich klar, welchem Antrieb auf solchen Strecken die Zukunft gehört.
In der Stadt, auf kurzen Wegen, spielen Elektroautos mit Batterie ihre Stärken aus: Lokal abgasfrei, mit Bremsenergie-Rückgewinnung sparsam, an Ladesäulen schnell nachgeladen. Aber wie sieht es mit längeren Strecken aus? Begrenzte Reichweite und lange Ladezeiten schrecken Viel- und Langstreckenfahrer bisher noch ab.
Dabei gibt es Elektroautos, die sich in wenigen Minuten volltanken lassen. Sie speichern die elektrische Energie nicht in einer Batterie, sondern produzieren den Strom in einer Brennstoffzelle aus Wasserstoff und lassen als einzige „Abgas“ Wasserdampf und gefilterte Luft ins Freie. Wir haben beide Konzepte dem Test im wahren Leben unterzogen, sind mit einem Batterieauto (Audi e-tron GT) von München nach Hamburg gefahren, mit einem Wasserstoffauto (Toyota Mirai) zurück.
Denn in der Automobilindustrie ist ein Glaubenskrieg entbrannt, der mit geradezu religiösem Eifer ausgetragen wird. Auf der einen Seite Volkswagen, dessen Vorstandschef Herbert Diess nicht müde wird, den Wasserstoff-Antrieb schlecht zu reden:
„Das Wasserstoff-Auto ist nachgewiesen NICHT die Klimalösung. Scheindebatten sind reine Zeitverschwendung. Bitte auf die Wissenschaft hören!“,
twitterte der VW-Chef.
Auf der anderen Seite Toyota, Hyundai, jüngst auch BMW und Daimler, die im Wasserstoff zumindest einen wichtigen Baustein für die klimaneutrale Mobilität sehen.
Wie würde wohl der Kunde entscheiden, wenn er die Wahl hätte? Wir machen die Probefahrt aufs Exempel. Die Fahrt mit dem Audi e-tron GT beginnt sehr sportlich: Bis zu 530 PS geben die beiden Elektromotoren an beiden Achsen ab. Von null auf hundert geht es in 4 Sekunden. Das ist Sportwagen-Niveau. Dabei erzeugt der Audi ein synthetisch klingendes Fahrgeräusch. Muss das sein?
Über 800 Kilometer sind es bis Hamburg. Wir haben aber bei 666 Kilometern einen Übernachtungsstopp geplant. Auch für diese Teilstrecke will der Audi zwei Mal nachgeladen werden. Denn die 487 Kilometer theoretische Reichweite stehen nur auf dem Papier. Mehr als 390 Kilometer zeigt die Reichweitenanzeige nie an. Über 400 Kilometer sind nur bei sehr moderater Fahrweise zu erreichen, ohne die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zu testen.
Ein Mega-Stau auf der A 7 vor dem Kreuz Feuchtwangen lässt uns umplanen. Nach 244 Kilometern, es sind noch 149 Kilometer in der 85 Kilowattstunden (kWh) großen Batterie, wollen wir in Dinkelsbühel einen Schnelllader nutzen, der bis zu 135 Kilowatt (kW) abgibt. Theoretisch kann der e-tron GT, ein technischer Zwilling des Porsche Taycan, mit bis zu 270 kW geladen werden. Doch solche Ladesäulen sind selten. Leider wird der Schnelllader in Dinkelsbühel nicht nur falsch im Navi angezeigt, er funktioniert auch nicht. „Ladesystem: Störung“, steht im Display des Audi. Also fahren wir am Stau vorbei zur Autobahnraststätte Aurach an der A6. Dort gibt es eine Ionity-Ladestation, die bis zu 350 kW abgeben soll. Real sind es dann nur 156 kW. Das reicht uns aber, um in knapp 30 Minuten wieder auf fast volle Ladung zu kommen.
Weiter geht’s zum zweiten Ladepunkt am Kirchheimer Dreieck, 240 Kilometer entfernt. Hier werden 300 kW versprochen. Auch hier lädt der Audi nicht mehr als 150 kW. Nach dem Besuch im Burgerking ist der Audi wieder auf 100 Prozent geladen. Nach 231 weiteren Kilometern ist das Zwischenziel erreicht – mit 160 Kilometern Restreichweite. Zehn Stunden für einen Weg von 666 Kilometern, wobei sicher eine Stunde dem Stau geschuldet ist. Das ist dennoch zu viel. Die letzte Hamburg-Etappe (213 Kilometer) verläuft mit einer Batterieladung ohne Probleme. Rund 23 kWh verbrauchte der e-tron GT auf 100 Kilometer. Das ist viel, für ein Auto mit dieser Leistung aber nicht zu viel.
Dann zurück mit dem Toyota Mirai. Er sieht nicht ganz so sportlich aus wie der e-tron GT, ist mit 182 PS auch nicht so üppig motorisiert. Er ist aber mit 53.000 Euro Grundpreis auch nur halb so teuer wie der Audi. Dennoch vermisst man nichts, denn auch der Mirai hat ordentlich Drehmoment. Doch was noch wichtiger ist: Er ist so unglaublich leise. Ein leichtes rauschen der von der Brennstoffzelle angesaugten Luft ist alles, was man vom Antrieb hört.
Über 400 Kilometer Reichweite schaffen wir im Mirai problemlos mit den 5,6 Kilogramm Wasserstoff, die mit 700 bar Druck in den Tank gepresst werden. Beim ADAC-Test waren es sogar über 500 Kilometer. Beim ersten Tankstopp nach 390 Kilometern in Leipzig der erste kleine Schock: Der Wasserstoff will nicht strömen. Bei 29 Kilometern Restreichweite wäre das blöd, denn die nächste Wasserstoff-Tankstelle ist 150 Kilometer weit weg, in Hof. In Ostdeutschland ist das Netz an Wasserstoff-Stationen doch sehr dünn. 91 gibt es derzeit in Deutschland.
Beim zweiten Versuch klappt es problemlos. In drei Minuten ist der Tank wieder voll. Weiter geht’s bis Nürnberg, wo sich das Spiel wiederholt: H2-Karte einlesen, Pin eingeben, Zapfpistole einklinken, bei der Tanksäule auf Start drücken, in minutenschnelle zischt der Wasserstoff in den Tank des Mirai. Achteinhalb Stunden nach dem Start in Hamburg sind wir am Ziel bei München. Schneller wären wir mit einem Diesel auch nicht gewesen.
Fazit:
Für Viel- und Langstreckenfahrer ist die Wasserstoff-Brennstoffzelle nicht nur eine Alternative zum batterieelektrischen Auto, sie ist alternativlos – wenn man ihnen denn die Wahl lässt. Ein typischer Vertreter fährt 40.000 Kilometer im Jahr. Selbst mit einem modernen, schnell ladenden Elektroauto würde er jedes Jahr mehr als zehn Arbeitstage wartend an einer Ladesäule verbringen. Verschenkte Arbeits- und Lebenszeit.
Zudem ist der Toyota Mirai ein sehr komfortables und alltagstaugliches Auto. Alles was uns an dem Modell nicht gefällt (Infotainment von gestern, kleiner Kofferraum bei fast fünf Metern Außenlänge) hat nichts mit den Antrieb zu tun.
Bleibt noch die Frage, woher der Wasserstoff kommen soll. Heute wird er größtenteils aus Erdgas, also nicht klimaneutral produziert – was er übrigens mit dem elektrischen Strom gemeinsam hat. Laut Toyota wäre allein die jedes Jahr ungenutzt verschwendete Wind- und Sonnenenergie in Deutschland ausreichend, um 1,4 Millionen Mirai zu betreiben. Hinzu kommt die Möglichkeit, Wasserstoff aus Ökostrom herzustellen, wo die Sonne immer Scheint (Sahara) oder der Wind immer weht (Chile). Statt Öl aus Arabien importierten wir „flüssiges Sonnenlicht“ aus Afrika. Klingt nach Zukunft.
Guido Reinking