Las Vegas. Für Henrik Green, den Entwicklungschef von Volvo Cars, ist klar: „Der Schlüssel zum sicheren, automatisierten Fahrens ist, dass ein Auto seine Umgebung richtig versteht.“
Und weil für die Schweden Sicherheit schon immer oberste Priorität hatte, gibt es für Green nur eine Technologie, die das Gewährlisten kann: „Nur Lidar liefert ein dreidimensionales Bild von der Umgebung des Autos.“ Es muss Menschen, Autos, Radfahrer erkennen, sehen ob die Straße vor dem Fahrzeug frei ist oder Überholen gefahrlos möglich ist. Ohne Lidar, da ist sich Volvo mit der Mehrzahl der Autohersteller und Zulieferer einig, wird es nicht gehen. Ein Lidar („light detection and ranging“) tastet mittels Laserstrahlen permanent die Umgebung eines Autos ab und errechnet aus den Reflexionen ein dreidimensionales Bild.
Weil automatisiertes Fahren – bis hin zum völlig selbständigen Roboterauto – nach der Elektrifizierung des Antriebs das nächste große Ding in der Automobilindustrie ist, arbeiten weltweit rund 70 Startups und IT-Firmen an der Entwicklung von Lidar. Nur eine Handvoll werden es ins Ziel schaffen und kompakte, aber vor allem preiswerte Lidar-Systeme zu entwickeln, die sicher genug sind für autonome Autos. Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, ist riesig: Auf 50 Milliarden US-Dollar bis 2030 schätzt der Autozulieferer Valeo den Markt für Lidar. Dann im nächsten Jahrzehnt werden viele Fahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen angeboten und auch die ersten vollautonomen Autos unterwegs sein.
Die ersten zaghaften Schritte hin zum Roboter auf vier Rädern haben die Autohersteller noch ohne Lidar unternommen. Es war ihnen schlicht zu teuer und zu komplex. Elon Musk lehnte Lidar zunächst ganz ab: „Wer auf Lidar setzt, ist auf dem Holzweg“, sagte der Tesla-Chef und ließ seinen Fahrzeuge mit einem „Autopilot“ auf die Straßen, der sich vor allem nach Kamerabildern orientiert. Nachdem automatisiert fahrende Teslas reihenweise verunglückt sind – jüngst kollidierten sie sogar mit Einsatzfahrzeugen von Polizei und Feuerwehr oder überfuhren Stoppschilder – wurden nun die ersten Tesla-Prototypen mit Lidar-Sensoren gesehen. Auch Elon Musk hat offenbar erkannt, dass die Laser-Sensoren Lidar geil sind.
Trost für Tesla: Die Entwickler der vielen Startups arbeiten vor allem daran, die Systeme kleiner und preiswerter zu machen. Eines davon ist Luminar aus Palo Alto, Kalifornien. 2012 von dem damals erst 16jährigen Austin Russel gegründet, schloss Luminar im vergangenen Jahr eine Kooperation mit Volvo Cars und in diesem Jahr mit Mercedes-Benz: Gemeinsam wollen die Unternehmen Technologien für das hochautomatisierte Fahren entwickeln. Schon bald soll die aktuelle Lidar-Technik von Luminar in Serien-Fahrzeugen von Mercedes-Benz integriert werden. Der Automobilhersteller verspricht sich von der Partnerschaft die schnellere Entwicklung autonomer Autos.
„Mit Erreichen des SAE Level-3-Standards beim automatisierten Fahren hat Mercedes-Benz bereits einen wichtigen Meilenstein erreicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass Partnerschaften unsere Ambitionen in dem, was wir in Zukunft noch erreichen wollen, klar vorantreiben”,
sagt Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer.
Als erster Hersteller hat Mercedes eine Zulassung für Level 3 erreicht, das heißt: Bis 60 km/h darf der Mercedes EQS auf der Autobahn fahren, ohne dass der Fahrer eingreift, also vor allem im Stau und bei dichtem Verkehr. Dafür besitzt das Auto auch einen ersten Lida-Sensor in der Front.
Luminar hat das Lidar bereits so verkleinert, dass es oberhalb der Windschutzscheibe kaum sichtbar integriert werden kann und trotzdem 600 Meter weit reicht, weiter als jede Kamera und das Abstandsradar. Ein beweglicher Spiegel lässt den Laserstrahl die Umgebung abtasten. Das macht das System kompakter als die ersten Lidar, die noch mit beweglichen Lasern gearbeitet haben.
Das israelische Startup Opsys jedoch geht nach einen Schritt weiter: Es kommt völlig ohne bewegliche Teile aus. „Was sich bewegt geht irgendwann kaputt und muss gewartet werden“, sagt Eitan Gertel, Chef des israelischen Startups. Das Geheimnis von Opsys: Das Unternehmen hat es geschafft, 5000 Laser auf einem winzigen Silicon-Chip zu bündeln. Deren Blitze tasten tausend Mal pro Sekunde in einer Entfernung von bis zu 300 Metern die Umgebung des Autos ab. Eitan Gertel: „Wir liefern ein dreidimensionales Bild, 30mal genauer als das menschliche Auge.“ In zwei bis drei Jahren will Opsys mit seiner Entwicklung serienreif sein. Mit dem südkoreanische Zulieferer SL Corp hat Opsys einen ersten Kunden gewonnen.
Silc Technologies, ein kalifornisches Startup, arbeitet bei der Entwicklung mit Jaguar Land Rover zusammen. Auch Silc konzentriert seine Lidar-Sensoren auf einem Computerchip. Das Modul ist so klein, dass es sogar in die vorhandenen Scheinwerfer eines Jaguar i-Pace eingebaut werden kann. Vorbei die Zeiten, als automatisierte fahrende Prototypen von Jaguar mit großen Lidar-Modulen auf dem Dach, entwickelt von der Google-Muttergesellschaft Alphabet, herumfahren mussten. Silc hat mit seinem „Eyeonic“ genannten System das bisher kleinste Lidar gebaut.
Verkleinern, Kosten und Komplexität reduzieren, das hat sich auch Innoviz zum Ziel gesetzt. Das Startup aus Tel Aviv hat bereits mehrere Generationen Lidar entwickelt und ist seinem Ziel jedes Mal ein Stück näher gekommen:
„Wir sind mit hoch komplexen, sperrigen Systemen gestartet die zehntausende Dollar kosteten und dennoch nicht die Anforderungen der Automobilindustrie hinsichtlich Haltbarkeit erfüllten“;
sagt ein Innoviz-Sprecher.
Mit seinem 360-Grad-Lidar habe Innoviz nun die Anforderungen der Industrie erfüllt. BMW hat nun angekündigt, mit dem israelischen Startup weiter zu arbeiten, um autonome Fahrzeuge bis zu Level 4 zu entwickeln. Das heißt, die Fahrzeuge haben zwar noch ein Lenkrad, können aber eigentlich schon selbstständig von A nach B fahren. Das Rennen um das beste Lidar geht damit in die entscheidende Runde.
Guido Reinking