München auf der Überholspur

3.9.2021

Digitale Zukunft der Mobilität

München auf der Überholspur

 

In Sachen Mobilität von morgen ist die bayerische Landeshauptstadt beim Smart City Ranking zwar auf den zweiten Platz vorgerückt. Doch auf das neue Mobilitätsreferat kommt noch viel Arbeit zu, um Hamburg den Spitzenplatz streitig zu machen.

0,35 Prozent – so hoch ist aktuell der Anteil reiner Elektrofahrzeuge am gesamten Fahrzeugbestand in deutschen Großstädten. Das ist ein Ergebnis der Smart City Index Studie 2020 des Branchenverbandes Bitkom. Neben dem hohen Preis der Fahrzeuge schreckt auch der Mangel an Lademöglichkeiten die potentiellen Käufer ab. Denn wer mit einem E-Auto in München unterwegs ist, hat nicht nur das übliche Parkplatzproblem, sondern konkurriert auch noch um die Ladesäulen. Von denen gab es Anfang 2021 gerade einmal 1.310. Um diese Plätze rangeln neben den rund 10.000 reinen Elektrofahrzeugen, die in München zugelassen sind, noch mehr als 25.000 Hybrid-Fahrzeuge. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl an Pendlern, die mit voll- oder teilelektrifizierten Antrieben in die Stadt kommen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die mehr als 800.000 Münchner Autos mit Verbrennungsmotor außer Konkurrenz fahren, wenn es um Ladepunkte geht.

Dabei stehen die Münchner E-Auto-Fahrer noch vergleichsweise gut da. Berlin konnte zwar die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf zuletzt 1.694 erhöhen und seinen Vorsprung auf das zweitplatzierte München damit sogar leicht ausbauen. Doch in Berlin leben mehr als 3,6 Millionen Menschen, in München knapp unter 1,5 Millionen. „Der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur nimmt weiter Fahrt auf. Parallel dazu geht der Ausbau der privaten Ladepunkte dank des KfW-Förderprogramms für Wallboxen gerade durch die Decke“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Damit die Dynamik erhalten bleibt, mahnt sie eine schnelle und unbürokratische Bereitstellung von Flächen für Ladestationen an.

Neues Mobilitätsreferat in München

Die Förderung von Elektroautos ist allerdings nur ein Aspekt, wenn es um die Mobilität von morgen geht. Im eingangs erwähnten Smart City Index hat sich München vor allem dank seines guten Abschneidens in den Bereichen Energie und Umwelt, wozu auch die Ladeinfrastruktur zählt, sowie Mobilität und IT-Infrastruktur auf den zweiten Platz vorgearbeitet. Diese Stellung zu verteidigen und die Isarmetropole womöglich auf den Spitzenplatz zu katapultieren, ist ein Ziel des zum 1. Januar 2021 eingerichteten Mobilitätsreferats.

Für das neue Referat, in dem die Kompetenzen der Münchner Stadtverwaltung beim Thema Verkehr und Mobilität gebündelt werden, wurden knapp 300 Mitarbeiter aus verschiedenen Referaten zusammengezogen. „Alle Bürgerinnen und Bürger sollen komfortabel und sicher vorankommen – unabhängig davon, ob sie zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Öffentlichen Personennahverkehr oder dem Auto unterwegs sind“, sagt der neue Mobilitätsreferent Georg Dunkel. „Deshalb packen wir jetzt viele unterschiedliche Maßnahmen an, die sich möglichst bald umsetzen lassen“, erklärt Dunkel.

München unterwegs ist die neue Mobilitätsmarke und Website der Stadt München. Sie bietet Informationen und Angebote für eine zukunftsfähige und sichere Mobilität.

Bereits im Juni 2021 hat das neue Referat ein Konzept vorgestellt, das im Rahmen des Münchner Mobilitätskongresses anlässlich der IAA Mobility 2021 diskutiert werden soll. Bis Anfang 2022 soll dem Stadtrat eine „Mobilitätsstrategie 2035“ zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt werden. Der Entwurf sieht eine gute Erreichbarkeit aller Ziele in der Stadt vor, unabhängig vom Verkehrsmittel. Dabei stehen möglichst emissionsfreie Angebote im Fokus, um das Ziel eines klimaneutralen Münchens bis 2035 zu erreichen.

Innovative Konzepte gegen den Verkehrsinfarkt

Ein Beispiel für diese Strategie ist der im April 2021 eröffnete Mobilitätshotspot am Altstadtring. Die Hofbräuhaus Parkgarage am Thomas-Wimmer-Ring bietet Besuchern Sharing-Angebote für E-Bikes und E-Scooter, damit sie in der Innenstadt auf das Auto verzichten und trotzdem schnell und flexibel vorankommen. Die Verbesserung von Fahrradwegen, neue Radschnellverbindungen, der Ausbau des ÖPNV und mehr Shared-Mobility sind weitere Ansatzpunkte.



 

Mit dem ebenfalls im April 2021 unter der Federführung des Mobilitätsreferats gestarteten Pilotprojekt TEMPUS geht München auch beim Autoverkehr neue Wege. Das Akronym steht für Testfeld München – Pilotversuch Urbaner automatisierter Straßenverkehr. Im Rahmen des Projekts wird im Münchner Norden die Verkehrsinfrastruktur mit intelligenter Straßenverkehrstechnik und kommunizierenden Lichtsignalanlagen modernisiert. An einer Musterkreuzung soll ein virtueller Abbiegeassistent erprobt und Fahrten durch Echtzeit-Verkehrsinformationen verbessert werden. Die so gewonnenen Daten fließen in die Verbesserung der Infrastruktur für selbstfahrende Fahrzeuge und zeigen, wie andere Verkehrsteilnehmer auf die neue Technologie reagieren.

Intelligent vernetzte Mobilität und innovative Antriebskonzepte gelten als Schlüssel für eine erfolgreiche Verkehrs- und Klimawende. „Staus, Lärm und Umweltbelastungen gehören zu den größten Ärgernissen im urbanen Alltag und können durch den effektiven Einsatz digitaler Technologien erheblich verringert werden“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Für ihn werden die Potentiale der Digitalisierung gerade in der Mobilität sichtbar. Mit seinen Projekten hat München auf die Überholspur gewechselt. Gut möglich, dass das schon bald im Smart City Index mit Platz 1 belohnt wird.

Christoph Neuschäffer

Lesen Sie zu diesem Thema auch das Interview mit Katrin Habenschaden, 2. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München >

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