Fahrrad und Auto sind die Pandemie-Gewinner

3.9.2021

Fahrrad und Auto sind die Pandemie-Gewinner

 

Die Angst vor Infektionen steigert die Nachfrage nach individueller Mobilität – auf zwei und vier Rädern. Das Auto wird zum sicheren Rückzugsraum, das Rad zum ÖPNV-Ersatz. Nur können Fahrrad- und Automobilbranche derzeit die Nachfrage nicht befriedigen – aus ähnlichen Gründen.

© davidf – iStock

Die Corona-Pandemie bringt der individuellen Mobilität auf zwei und vier Rädern einen ungeahnten Schub. Auf der anderen Seite hat der öffentliche Personennah- und Fernverkehr wegen des Ansteckungsrisikos in Bus und Bahn an Attraktivität eingebüßt. Profitieren können hingegen das Auto und das Fahrrad. Diesem Trend folgt auch die IAA Mobility in München, wo erstmals mehr Fahrrad- als Autohersteller präsent sind.

Derzeit haben beide Branchen mit ganz ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen: Sie können die hohe Nachfrage kaum befriedigen. Lange Lieferfristen, steigende Preise und verärgerte Kunden sind die Folge. So müssen Fahrradhändler aktuell auf bis zu 40 Prozent der bereits bestellten Zweiräder warten, sagte Hans-Peter Obermark vom Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) der Funke Mediengruppe. „Die Branche rechnet – sofern es nicht zu weiteren Lockdowns kommt – erst Ende 2024 mit einer Normalisierung des Fahrradmarktes bei weiter steigender Nachfrage.

Zu den Gründen für die langen Lieferzeiten gehört nicht nur der Boom, den die Corona-Pandemie bei den Fahrradbestellungen ausgelöst hat. Die Lieferkette – vor allem zu Herstellern und Zulieferern aus Asien – funktioniere nicht mehr so reibungslos wie noch 2019, teilt der Zweirad-Industrieverband mit. „Angesichts der Lieferengpässe werden wir in diesem Jahr wohl wieder die Umsätze und Absätze der Vorjahres erreichen“, sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Dabei sei wegen der steigenden Nachfrage eigentlich mit einem höheren Absatz zu rechnen gewesen.

Bereits 2020 legte der Fahrradabsatz in Deutschland um rund 17 Prozent auf mehr als fünf Millionen zu. Dank des Trends zu höherwertigen Rädern wuchs der Umsatz laut ZIV sogar um 60 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Denn besonders hoch ist die Nachfrage nach dem SUV unter den Fahrrädern, dem Mountainbike. E-Bikes verkaufen sich ebenfalls gut. Auch hier gibt es Parallelen zum Autogeschäft, wo vor allem der Absatz von Elektrofahrzeugen und SUVs boomt. Darüber hinaus ist die Autobranche genauso von Lieferengpässen betroffen – hier fehlen besonders die Halbleiter. Dabei ist die Nachfrage nach Neu- und Gebrauchtwagen spürbar angestiegen, die Zuwächse betragen 10 bis 15 Prozent.

Wie bei den Fahrrädern geht der Boom in erster Linie auf die Pandemie zurück: Das Auto sei in Zeiten von Corona wie schon das traute Heim „zum sicheren Rückzugsort geworden“, sagt Konrad Weßner, Geschäftsführer des Nürnberger Marktforschungsinstituts Puls. Vor diesem Hintergrund befragte Puls 1031 Autokäufer, ob auch das Auto vom Trend zum Cocooning („sich einspinnen“) profitiere. Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Stattliche 56 Prozent gaben an, das Auto sei für sie ein privater Rückzugsort geworden. Dazu passend sehen 61 Prozent im eigenen Fahrzeugs einen Schutzraum vor Ansteckungen und Viren. Weitere 73 Prozent genießen es, im Auto entspannt Musik oder Podcasts zu hören.

Weil analog zu den eigenen vier Wänden auch beim Innenraum vom Auto Individualität Trumpf sei, „sollten Automobilverkäufer herausfinden, ob der jeweilige Interessent sein Wunschauto eher als rollendes Büro oder Smartphone nutzen möchte oder ob Wohlfühlen, Atmosphäre und zugehörige Düfte wichtig sind“, empfiehlt Konrad Weßner. An Bedeutung werde auch die Frage gewinnen, welche Art von Musik, Infotainment oder Gaming der jeweilige Kunde in seinem Auto bevorzugt. Dadurch wird das Auto auch für jüngere Menschen attraktiver. Wenn Autos darüber hinaus immer stärker Schutz vor Viren bieten sollen, gewinnen auch natürliche und leicht zu reinigende Materialien, pflegeleichte Sitzbezüge und professionelle Innenraumreinigungen als Serviceleistung an Bedeutung.

Wohl dem, der ein Fahrrad ergattern kann. Der Handel wird derzeit von der Nachfrage überrannt. Lange Lieferfristen sind die Folge.

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