Elektromobilität ist wie moderner Zehnkampf

7.9.2017

ELEKTROMOBILITAET IST WIE MODERNER ZEHNKAMPF

Webasto startet Elektro-Offensive mit Ladelösungen und Batteriesystemen

Webasto startet Elektro-Offensive mit Ladelösungen und Batteriesystemen

Deutschland-Premiere der Webasto Wandladestationen auf der IAA Pkw 2017

Mit der Entwicklung seines Hochvoltheizers (HVH) hat der Thermo- und Dachspezialist bereits ab 2010 erste Schritte in der Elektromobilität gemacht. Jetzt geht das Unternehmen aus Stockdorf die nächsten Schritte: Webasto, einer der weltweit 100 größten Zulieferer und Systempartner fast aller Automobilhersteller, steigt in das Geschäft mit Antriebsbatterien und Ladestationen ein. MOBILITÄT von MORGEN sprach mit Fabian Bez, gesamtverantwortlich für das Thermo-Geschäft bei Webasto und Hartung Wilstermann, Leiter des Geschäftsbereichs E-Solutions & Services.

MOBILITÄT von MORGEN: Herr Bez, Herr Wilstermann, was kann Webasto als Spezialist für Thermotechnik und Dachsysteme zum Thema Elektromobilität anbieten?
Bez: Unsere Produkte sind leistungsstarke Lösungen für die Fahrzeuge von heute und von morgen. Bei der Elektrifizierung spielt zum Beispiel das Thema Heizen eine große Rolle, weil es den Komfort, die Sicherheit und auch die Reichweite der Fahrzeuge stark beeinflusst. Dort leisten wir mit unserem Hochvoltheizer bereits in mehr als 20 Modellen von Hybrid- und Elektroautos schon heute einen wichtigen, positiven Beitrag.
Wilstermann: Gleichzeitig bringt Webasto die Kompetenz zur Systemintegration mit. Wir wissen, wie große Bauteile wie Dachsysteme oder eben Antriebsbatterien in Fahrzeuge integriert werden. Zudem benötigt die Batterie ein intelligentes Thermo-Management, muss also je nach Bedingung gekühlt oder beheizt werden. Das sind die zentralen Kompetenzen, die uns zum Partner der Hersteller auch im Bereich der Elektromobilität machen.

Fabian Bez, gesamtverantwortlich für das Thermo-Geschäft bei Webasto

Fabian Bez, gesamtverantwortlich für das Thermo-Geschäft bei Webasto

MvM: Wird die Antriebsbatterie nicht zu einer Kernkompetenz des Autoherstellers, wie heute der Verbrennungsmotor?
Wilstermann: Bei den größeren Herstellern ist das so. Aber auch diese OEMs werden nicht alle Batterien selbst herstellen, sondern die Unterstützung von Systempartnern nutzen, insbesondere bei der zu erwartenden Explosion an Hybrid- und E-Fahrzeugvarianten. Und es gibt Hersteller, die keine eigene Batterieentwicklung und Fertigung aufbauen wollen, oder sich bereits, wie jüngst geschehen, wieder davon trennen. Wir sind mit vielen Herstellern zu unterschiedlichen Anfragen im Bereich Batterien im Gespräch.

MvM: Sollte die schwere, sperrige Antriebsbatterie eines Elektroautos nicht nah an der Fahrzeugmontage entstehen?
Wilstermann: Ja, auch darin gleicht sie einem Dachsystem. Wir sind mit unserer Dachfertigung seit vielen Jahren global aufgestellt und liefern nah am Kunden taktgenau ans Band – in Europa, Amerika und Asien. Bei der Industrialisierung der Batteriefertigung können wir diese Erfahrungen zielgerichtet einbringen. Wir werden auch die Batterien kundennah bauen. Und in der Anfangszeit sicher auch unsere bestehenden Produktionsstandorte nutzen.

MvM: Welche Kompetenzen brauchen Sie für Entwicklung und Fertigung der Batterien?
Wilstermann: Man muss die Zelle verstehen. Hier investieren wir gerade in Entwicklungs- und Beurteilungskompetenz. Und das Thermo-Management spielt eine große Rolle. Das ist eine unserer Kernkompetenzen. Die Batterie muss sicher, performant und wartungsfreundlich sein. Sie ist Bestandteil des Rohbaus. Hier spielen Leichtbau und Crash-Sicherheit eine Rolle. Auch das Handling so großer Komponenten ist wichtig. All das beherrscht Webasto – immer mit höchstem Qualitätsanspruch – was zentral für den Automobilmarkt ist. Eine Antriebsbatterie bauen, das ist moderner Zehnkampf. Da muss man alle Sportarten beherrschen.

MvM: Wie weit sind Sie? Gibt es schon Kunden?
Bez: Wir sind positiv überrascht über das große Interesse. Wir gehen davon aus, dass es in anderthalb bis drei Jahren die erste Batterie von Webasto in einem Serienfahrzeug geben wird.

Hartung Wilstermann, Leiter des Geschäftsbereichs E-Solutions & Services

Hartung Wilstermann, Leiter des Geschäftsbereichs E-Solutions & Services

MvM: Sie stellen auf der IAA eine Wandladestation vor, mit der ein Elektroauto zu Hause geladen werden kann. Wieso steigen Sie in diesen Bereich ein?
Bez: Vertrieb und Montage einer sogenannten „Wallbox“ gleichen dem Geschäft mit Standheizungen, das wir seit Jahrzehnten beherrschen. Zum Beispiel im Vertrieb: Der Kunde kann die Wallbox entweder beim Kauf des E-Autos bestellen, über den Händler beziehen oder bei uns im Webshop kaufen. Die Verkaufskanäle sind denen bei Standheizungen sehr ähnlich. Die Autohersteller wollen sich darum nicht auch noch kümmern und sind froh, wenn wir genau hier passgenau unterstützen.

MvM: Wie sieht es bei den Wallboxen aus – werden Sie die selber produzieren?
Bez: Auch bei der Wallbox geht es um die Industrialisierung der Produktion. Heute werden Wallboxen wenig effizient in Handarbeit gefertigt. Da gibt es noch viel Rationalisierungspotenzial. Das gilt auch für die Montage beim Kunden. Wir bei Webasto haben die Kompetenz, diese Lösungen in größeren Serienstückzahlen zu produzieren. Unsere globalen Produktionsstrukturen sind effizient und bereit für den nächsten Schritt der Mobilität.

MvM: Nun ist eine Wallbox mehr als nur ein Stromanschluss. Steckt da nicht eine Menge Intelligenz drin?
Bez: Das ist korrekt. Eine Wallbox muss nicht nur an das Stromnetz angeschlossen werden, sondern auch mit dem Auto und dem Internet kommunizieren können. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies sehr schwierig sein kann. Die Installation werden deshalb geschulte Partner von uns übernehmen. Je nach Anforderung des Nutzers bieten wir mit „Webasto Charging Solutions“ verschiedene Modelle an Wandladestationen an. Die dafür nötige Kompetenz haben wir sowohl in der Entwicklung, als auch seit Anfang des Jahres in der Produktion: Seitdem haben wir den Elektronik-Dienstleister Schaidt-Innovations mit entsprechendem Produktions-Know-how und -kapazitäten an Bord. Kurzum, wir haben die Wallbox selbst entwickelt und produzieren sie auch selbst.

MvM: Die Elektromobilität steht noch vor vielen ungelösten Fragen. Was passiert zum Beispiel, wenn abends in einer Stadt tausende Arbeitnehmer nach Hause kommen und gleichzeitig ihr Fahrzeug laden wollen?
Bez: Dazu brauchen wir ein intelligentes Lade-Management. Eine leere Batterie braucht mehr Ladestrom als eine, die fast voll ist. Wir werden eine Standardvariante und eine intelligente Wallbox anbieten, die sogar helfen kann, das Stromnetz zu stabilisieren.

Das Interview führte Guido Reinking.

Engelmanns Doppelstrategie:

Kerngeschäft stärken, neue Felder erschließen

Dr. Holger Engelmann, Vorstandschef

Dr. Holger Engelmann, Vorstandschef

Vorstandschef Holger Engelmann hat Webasto den Weg für die Veränderungen bereitet, die die neue Mobilität von Unternehmen fordert. Die Doppelstrategie basiert auf den Säulen „Strengthening“ und „Participating“: „Wir stärken konsequent unser Kerngeschäft und erschließen neue Geschäftsfelder, die zu unserem Kompetenz-Profil passen.“ Dank Elektromobilität sieht Engelmann großes Potenzial für die nächsten Jahre. So erweitert Webasto kontinuierlich sein Angebot an Hochvoltheizern, die für batteriebetriebene Fahrzeuge und Plug-in-Hybride alternativlos sind. Engelmann: „Webasto schafft auch im Automobil der Zukunft Komfort und Lebensqualität.“ Zudem steigt das Unternehmen in die Entwicklung und Produktion von Antriebsbatterien und Ladelösungen für private Pkw und Dienstwagenflotten ein.

Auf der IAA Pkw stellt Webasto erstmals in Deutschland innovative Wandladestationen und Hochvolt-Batteriesysteme vor. Das Unternehmen ist auch mit bestehenden Produkten in der neuen Mobilität unterwegs. Für Carsharing-Fahrzeuge bietet der Thermospezialist Standheizungen an, die das Auto vor Fahrtantritt vorwärmen. Auch die autonome Mobilität beflügelt die Fantasie: Wird das Auto zum dritten Lebensraum, so heißt es bei Webasto, könnte das Schiebe- oder Panoramadach noch wichtiger werden.

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