Editorial | Ein Auto darf k e i n Smartphone auf Rädern sein

4.7.2016

EDITORIAL

Ein Auto darf  k e i n  Smartphone auf Rädern sein

 

Guido Reinking

Guido Reinking, Herausgeber von „Mobilität von morgen“

In den vergangenen Jahren wurden die Autohersteller nicht müde zu betonen, künftig ihre Produkte wie „Smartphones auf Rädern“ zu entwickeln. Das ist nicht erst seit dem tödlichen Unfall mit einem autonom fahrenden Tesla Model S eine erschreckende Vorstellung. Tesla-Gründer Elon Musk hat selbst mehrfach erklärt, er entwickle keine Autos, sondern „höchst anspruchsvolle Computer auf Rädern“. Solche Vergleiche haben auch eine problematische Seite: Wenn ein Smartphone eine Fehlfunktion hat, ist man möglicherweise telefonisch nicht zu erreichen, kann keine Mails empfangen oder die Position nicht bestimmen. Wenn ein Assistenzsystem eines Autos nicht richtig funktioniert, kann das lebensgefährlich sein – oder sogar tödlich, wie im Fall des Tesla S.

Viele Ingenieure und Arbeiter von Tesla stammen, wie der Firmengründer selbst, nicht aus der Auto-, sondern aus der IT-Branche. Die unterschiedlichen Entwicklungszyklen beider Industrien sollten nicht dadurch synchronisiert werden, indem die Autohersteller die Nachlässigkeiten der Computerbranche kopieren. Dort wird neue Soft- und Hardware gerne als Beta-Version in den Handel gebracht. Die Weiterentwicklung erfolgt dann in Kundenhand. Fehler kann man ja per Software-Update beheben. Bei dem Tesla-Unfall ist das Fahrzeug, das im „Autopilot“-Modus unterwegs war, unter einen abbiegenden Lkw gefahren. Laut Tesla habe bei dem Unfall die „hohe weiße Seitenwand des Anhängers zusammen mit einer Radar-Signatur, die der eines hochhängenden Straßenschilds sehr ähnlich war“, dazu geführt, dass „keine automatische Bremsung ausgelöst wurde“. Nun soll zügig ein Software-Update folgen.

„Ich will als Autokunde keine Beta-Version“, sagte Bosch-Automotive-Chef Rolf Bulander kürzlich bei einer VDA-Veranstaltung, „ich will ein Auto, das in der Winter- und in der Sommererprobung war, bei dem ich mich auf Bremsen, Lenkung und Fahrwerk verlassen kann.“ Die Millionen von Testkilometern und Milliarden von Entwicklungskosten in der Autoindustrie sind vielleicht doch nicht nur Zeit- und Geldverschwendung. Nun macht die Autobranche sicher nicht alles richtig, wie die stetig steigende Zahl der Rückrufe zeigt. Aber der Sicherheits- und Qualitätsstandard hat ein hohes Niveau. Autos stürzen nur sehr selten ab. Auch Viren und Hacker-Angriffe sind bisher spektakuläre Einzelfälle. Bei Computern passiert dergleichen ständig.

Die Autohersteller müssen auf die IT-Branche zugehen und von ihr lernen – zweifellos. Autos müssen, vernetzt, Update-fähig und Software-definiert werden. Aber auch die IT- kann von der Autoindustrie lernen, unter anderem was Sicherheits- und Qualitätsstandards anbetrifft. Das tödliche Unfall im Tesla, wahrscheinlich der erste in einem autonom fahrenden Auto, sollte ein Weckruf sein. Autos müssen smarter werden, Computer auf Rädern aber sicherer.

 

Guido Reinking

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