Dresden holt auf

19.9.2022

Digitale Zukunft der Mobilität

Dresden holt auf

 

Im Digitalisierungs-Wettrennen der deutschen Städte gelang Dresden beim Smart City Index zuletzt der größte Sprung nach vorne. Das brachte der sächsischen Landeshauptstadt sogar einen Platz unter den Top Ten ein. Zu verdanken hat sie das vor allem ihren Fortschritten bei der digitalen Verwaltung und smarten Mobilität.

Nächster Halt: Digitalisierung. In Dresden werden die Daten von Straßenbahnen ausgewertet, um Wartungsintervalle von Maschinen und Infrastruktur zu optimieren.   Fotos: © DVB AG

Zu den wenigen positiven Dingen, die man künftig über die Corona-Pandemie wird berichten können, gehört der Digitalisierungsschub, den Deutschland dadurch erhalten hat. Ganz vorn dabei ist Dresden. Die Stadt an der Elbe hat im ersten Jahr der Pandemie bei der Modernisierung urbaner Prozesse kräftig aufgeholt. Im „Smart City Index“ kletterte Dresden binnen eines Jahres von Rang 24 auf Rang 6. Das Digitalranking der deutschen Großstädte wird vom Branchenverband Bitkom erhoben, der dafür in fünf verschiedenen Themenbereichen rund 11.000 Datenpunkte erfasst und überprüft. „Viele Städte haben Bedeutung und Chancen der Digitalisierung erkannt und machen Tempo, wie etwa der Aufsteiger des vergangenen Jahres Dresden“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Dresden konnte in allen fünf Kategorien zulegen und mit dem Sprung um 18 Plätze nach oben Leipzig als beste Stadt in Ostdeutschland ablösen. Besondere Stärken weist die Stadt in IT und Kommunikation, Mobilität und Gesellschaft auf. So schafft die IT- und Software-Industrie mittlerweile die meisten neuen Arbeitsplätze in Dresden. Die Verwaltung nutzt die verfügbaren digitalen Technologien für innovative Pilotprojekte, unter anderem im Bereich Mobilität. Autofahrer profitieren vom Smart Parking mit IoT-Sensoren und alle Verkehrsteilnehmer vom Aufbau eines Netzes aus Mobilitätspunkten, an denen der Umstieg zwischen Straßenbahnen, Bussen, Sharingautos und Mietfahrrädern erleichtert wird. „Unser Ziel ist es, die Lebensqualität für Dresdnerinnen und Dresdner ebenso wie die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Wirtschaft dauerhaft zu erhöhen“, sagt Robert Franke, Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung. „Wir haben stadtweit zahlreiche Projekte, mit denen wir Dresden digitaler und damit auch klüger und grüner machen. Die Auszeichnung macht das sichtbar und spornt uns an, bei dieser immens wichtigen Aufgabe nicht locker zu lassen“, betont Franke. Sein Ziel ist es, Dresden im Smart City Index dauerhaft in der Spitzengruppe zu etablieren.

VAMOS regelt den Verkehr in Dresden

Ein Baustein dafür ist VAMOS, das von Stadtverwaltung und Technischer Universität Dresden gemeinsam erarbeitete Verkehrs-Analyse-, Management- und Optimierungs-System für flüssige Verkehrsabläufe. An der Universität befindet sich eine der Leitzentralen des Systems, das Messwerte über den Verkehrsfluss von mehr als 1000 Detektoren und anderen Datenquellen erfasst und auswertet. Über Verkehrsbeeinflussungsanlagen im Stadtgebiet und an den Autobahnen, über Informationssysteme zu Fahrtrouten, Parkmöglichkeiten und dem ÖPNV erhalten Autofahrer konkrete Vorschläge zu situationsangepasstem Handeln. Darüber hinaus kommt das aktuelle System VAMOS4 den steigenden Anforderungen aus dem Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens nach. Verfügbare und aufbereitete Informationen müssen über verschiedene Kommunikationswege den Verkehrsteilnehmern zunehmend auch individuell zur Verfügung gestellt werden. Hier übernimmt VAMOS4 die Content-Provider-Funktion.

Seit diesem Sommer können die Einwohner in drei nördlichen Stadtteilen Dresdens per App eine Fahrt mit dem MOBIshuttle buchen.

Die Digitalisierung soll in Dresden jedoch nicht nur den Verkehrsfluss, sondern auch die eingesetzten Verkehrsmittel verbessern. Die bisher üblichen stichprobenartigen Erhebungen zum Zustand von Straßenbahnen und Strecke sowie fristgebundene Wartungen führen lediglich zu ungenauen Informationen und verursachen erheblichen Kosten. Im Rahmen des Innovationsprojektes „LRVTwin“ erfassen Wissenschaftler der TU Dresden, des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden sowie weiterer Partner die Daten von jeweils zehn Straßenbahnen in Dresden und Leipzig sowie einem speziellen Messfahrzeug. Der Clou: Viele Informationen können mit Standardsensoren, die in jeder Bahn verfügbar sind, gemessen werden. Die Daten sollen dann mittels Maschinellem Lernen verarbeitet werden. „Mit Hilfe der Digitalisierung wollen wir die Fahrzeugwartung ressourcengerecht stärken, um so die Verfügbarkeit für Kunden weiter zu erhöhen“, erklärt Markus Kästner, Projektleiter am Institut für Festkörpermechanik der TU Dresden. Bahn- und Netzzustand sollen zum Abschluss des Projekts digital vorliegen und sollen von der Einzelbahn auf eine digitale Flotte erweitert werden. Perspektivisch können diese Modelle auch für Flotten in weiteren Städten zum Einsatz kommen.

An der TU Dresden wird das Ridesharing erforscht

Nachhaltige Mobilität wird an der Elbe nicht nur praktisch auf der Schiene, sondern auch theoretisch für die Straße untersucht. Vor dem Hintergrund, dass allein der Verkehrssektor etwa ein Fünftel aller klimaschädlichen Emissionen in Deutschland verursacht, stellt geteilte Mobilität einen interessanten Lösungsansatz dar. Am Center for Advancing Electronics Dresden (cfaed) der TU Dresden forschen Wissenschaftler deshalb unter anderem zum Ridesharing. In einer 2022 veröffentlichten Studie gehen sie der Frage nach, wie die Effizienz des Ridesharings erhöht werden kann. Ihr Vorschlag: geeignete benachbarte Haltepunkte dynamisch zu zentralen Haltepunkten zusammenlegen. Statt alle Fahrgäste exakt vor Ort einzusammeln, laufen diese gegebenenfalls ein Stück zu Fuß. So kann ein Bus mehrere Passagiere am selben Haltepunkt einsammeln. „Die Busse fahren direktere Wege und müssen seltener halten. Das Besondere ist, dass Haltepunkte dynamisch entsprechend der aktuellen Anfragen zusammengelegt werden, sodass die Fahrtrouten der Busse flexibel bleiben“, erläutert Charlotte Lotze, die Erstautorin der Studie.

Das MOBIshuttle transportiert bis zu vier Fahrgäste, die unabhängig voneinander dieselbe Fahrstrecke haben. Der Preis errechnet sich variabel anhand verschiedener Kriterien.

In der Studie konnte außerdem gezeigt werden, dass Nutzer selbst bei einem kurzen Laufweg zum Haltepunkt immer noch schneller sind als in einem herkömmlichen geteilten Taxiservice. „Das dynamische Zusammenlegen von Haltepunkten ermöglicht daher einen effizienteren und nachhaltigeren Service mit weniger Fahrzeugen, ohne dass die Nutzer längere Wegezeiten einplanen müssen“, ergänzt Marc Timme, Leiter der Professur für Netzwerkdynamik.

Neuer Ridepooling-Service seit kurzem am Start

Dass Ridesharing auch in der Praxis gut funktioniert, können die Dresdner seit diesem Sommer persönlich testen. Genauer gesagt das Ridepooling, bei dem mehrere Fahrtanfragen gebündelt und die Fahrgäste mit einem Fahrzeug gleichzeitig bedient werden. Neben der Strecke wird auch der Fahrpreis geteilt, und der Verkehr auf der Straße reduziert. Dafür betreibt das Unternehmen CleverShuttle im Auftrag der Dresdner Verkehrsbetriebe den On-Demand-Service „MOBIshuttle“. Fünf elektrisch betriebene Shuttles fahren seit dem 8. Juni 2022 zunächst in den drei nördlichen Dresdner Stadtteilen Neustadt, Pieschen und Klotzsche sowie ab 2023 auch in Weixdorf. Sie fahren unter der Woche zwischen 4 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts sowie an Wochenenden durchgehend auf Abruf und ohne festen Fahrplan. MOBIshuttle soll dabei helfen, diese Dresdner Stadtteile mit ÖPNV-Angeboten besser zu erschließen und wird zunächst bis 2024 getestet.

Straßenbahn, Auto oder Fahrrad? Die Daten aus dem Verkehrsmanagementsystem VAMOS werden von Apps für intermodale Lösungen genutzt.

Zwischen 10 und maximal 15 Minuten nach der Buchung per App werden die Fahrgäste von einem Shuttle abgeholt und an ihren Zielort gebracht. Eine Besonderheit des MOBIshuttles ist die dynamische Preisgestaltung, die über den intelligenten Algorithmus der Firma Via realisiert wird. Der Preis berechnet sich anhand verschiedener Kriterien. Gibt es beispielsweise auf der gewählten Fahrtstrecke keine Straßenbahn- oder Busverbindung, bleibt es günstig. Wird dagegen der Fahrtweg parallel zu einer Straßenbahn- oder Buslinie gewählt, steigt der Preis an. Damit wird ein Anreiz geschaffen, MOBIshuttle nur als Zubringer oder Ergänzung zu Bus und Bahn zu benutzen. Bezahlt wird bargeldlos in der App per Kreditkarte, PayPal oder Sofortüberweisung. „Für die Mobilität der Zukunft brauchen wir neue, digitale Angebotsformen wie MOBIshuttle, die den Komfort des eigenen Autos in das ÖPNV-Angebot einbetten“, sagt DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach. „Ob zum Arzt, zur Arbeit oder abends zur Kneipe, mit MOBIshuttle ergänzen wir unser klassisches ÖPNV-Angebot dort, wo es keine direkte Verbindung gibt und machen damit bis zu 126.000 Dresdner*innen ein noch attraktiveres Mobilitätsangebot“, fügt DVB-Vorstand Lars Seiffert hinzu.

Christoph Neuschäffer

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