Die Lademeister 2021

3.9.2021

Die Lademeister 2021

 

Um sie dreht sich bei einem Elektroauto alles: die Batterie. Der Hightech-Energiespeicher hat in den vergangenen Jahren bereits große Fortschritte gemacht. Dabei kristallisiert sich heraus, dass eine gute Ladefähigkeit wichtiger ist als auf immer mehr Reichweite zu setzen. Wir sagen Ihnen, welcher Stromer am schnellsten lädt!

© Mercedes-Benz AG

Je schneller voll, desto eher wieder weg. Dieses Motto dürfte besonders für Fahrer von Elektroautos immer mehr Bedeutung erlangen. Denn seine kostbare Reise- und Freizeit an tristen Autobahn-Raststätten zu vergeuden, zählt nicht zu den positiven Errungenschaften der Elektromobilität. Volltanken, kurz auf die Toilette, einen Kaffee ziehen, für die Kinder ein Eis und in knapp 15 Minuten wieder hinter dem Lenkrad. So zumindest hat es sich in der Verbrennerwelt abgespielt – wenn alles glatt lief.

Und jetzt? Elektroautos können hier nicht mithalten. Ihre Batterien sind in dieser Zeit längst nicht gefüllt, selbst an sogenannten HPC-Ladern (High Performance Charging) nicht. Aus 15 Minuten können so schnell 45 und mehr Minuten werden. Geduld und gute Nerven sind also gefragt. Besonders dann, wenn die angesteuerte Ladesäule besetzt ist. Derweil tröstet sich der E-Auto-Besitzer damit, wenigstens umweltfreundlicher unterwegs zu sein als die alte Diesel- und Benzin-Fraktion.

Ging es früher in Autogesprächen ausschließlich um Hubraum, Zylinderanzahl und Leistung, dreht sich bei den Elektroautos nahezu alles um Reichweite und Batteriekapazität. Kein Wunder, dass die Autohersteller versuchen, sich hier gegenseitig zu überbieten. BMW gibt für sein großes SUV iX nach der WLTP-Norm 630 Kilometer an, Mercedes setzt noch einen drauf und verspricht für seinen Luxus-Liner EQS sogar 780 Kilometer. Aber wollen die Leute überhaupt so große Batterien? Jüngste Umfragen haben ergeben, dass Reichweite nicht alles ist, der Kunde fühlt sich im Durchschnitt bei 470 Kilometer am wohlsten, so die Analysen.

Laden ohne zu leiden

Viel wichtiger als die Reichweite, da sind sich viele Experten einig, wird in Zukunft bei der Kaufentscheidung das Thema Ladekomfort werden. Wie zügig lässt sich der Akku wieder füllen? Und zwar nicht zu Hause, wenn er über Nacht am Kabel der Wallbox hängt, sondern unterwegs an einer Schnellladesäule. Die Hersteller geben hier gern die Minuten an, die nötig sind, um die Batteriezellen bei optimalen Bedingungen auf 80 Prozent ihrer vollen Kapazität zu bringen, ausgehend von fünf oder auch zehn Prozent. Eine gesetzlich vorgeschriebene Regel gibt es hier (noch) nicht.

Warum aber gerade 80 und nicht 100 Prozent? Die Ursache liegt tief in der Zellchemie. Die Batteriezelle kann nicht gleichbleibend eine konstante Menge an Strom aufnehmen. Besonders gut läuft der Prozess in einem bestimmten SoC-Bereich (State of Charge) ab. Meist liegt dieses Fenster zwischen zehn und 40 Prozent der Maximal-Kapazität. Danach fällt die Ladekurve immer stärker ab, bis sie schließlich bei 80 Prozent nahezu ihren Tiefpunkt erreicht und die Batteriekapazität nur noch sehr langsam zunimmt. Jetzt dauert es für die restlichen 20 Prozent meist länger als für die ersten 80 Prozent. So lange will keiner warten.

Vergleichbar ist dieser Vorgang mit einem leeren Glas, das bis exakt zum oberen Rand mit Wasser gefüllt werden soll. Anfangs kann man recht schnell einschenken. Je höher der Pegel im Glas aber steigt, desto langsamer muss gegossen werden, bis es zum Schluss nur noch tröpfchenweise weitergeht.

Fotos: Hersteller

Unsere Tabelle zeigt unter anderem, welches Modell wie viele Minuten (Herstellerangaben) benötigt, um auf 80 Prozent der Kapazität zu kommen. Eine Dauer von 30 bis 40 Minuten scheint sich hier als guter Durchschnitt herauszukristallisieren. Doch es gibt Ausnahmen. Zu den Super-Ladern – 18 Minuten – zählen derzeit der Hyundai Ioniq 5 und der Kia EV6. Der Grund: Beide basieren auf einer 800-Volt-Architektur. Die doppelt so hohe Spannung – üblich sind in der Branche 400 Volt – ermöglicht deutlich höhere Ladeströme.

Im Volumensegment ist der Hyundai-Konzern weltweit der Erste, der diesen Weg einschlägt. Und die Koreaner dürften diese Alleinstellung noch lange behalten. Denn auch andere Hersteller haben ihre dezidierten Plattformen mittlerweile fertig entwickelt: VW den MEB, PSA den e-VMP, Renault/Nissan den CMF, Volvo den SAE, Mercedes die EVA und Toyota die e-TNGA. Sie alle aber setzen auf 400 Volt.

Lediglich Porsche und Audi wählten für ihre Luxussportler Taycan und e-tron GT die 800-Volt-Technik und werden dies auch zukünftig für ihre großen Modelle beibehalten. Deren Batteriezellen sind in der Lage, Gleichstrom-Ladeleistungen von bis zu 270 kW zu verkraften. So können in nur fünf Minuten etwa 100 Kilometer Reichweite „nachgetankt“ werden. Auf ähnlichem Niveau befindet sich der Mercedes EQS, und dies trotz „nur“ 400 Volt. Den Entwicklern gelang es, die Zellen so zu trimmen, dass die höchste Ladeleistung (200 kW) über die ersten 15 Minuten nahezu konstant gehalten werden kann. Mit dem Ergebnis, dass der EQS in dieser Zeit 300 „neue“ Kilometer in der Batterie hat. Nach unserer Recherche schafft dies derzeit kein anderes Elektrofahrzeug.

Vielleicht aber in ein paar Jahren, sollte die Batterietechnologie mit einigen vollmundigen Ankündigungen aus der Autoindustrie wirklich schritthalten. Ein Beispiel: Stellantis. Der Konzern verspricht für seine künftigen Elektroautos eine „Best-of-Class“-Schnellladefähigkeit. Sie soll bei 32 Kilometern pro Minute liegen.

Michael Specht

 

 

Nur wenige Autohersteller, wie beispielsweise BMW und Audi, geben die Kilometer an, die innerhalb von zehn Minuten an einer Säule mit Gleichstrom (DC-Laden) nachgeladen werden können. Für die anderen in der Tabelle aufgeführten Marken haben wir daher folgende überschlägige Rechnung gemacht: Unter der Annahme, dass auch in den ersten zehn Minuten bei optimalen Rahmenbedingungen (günstigstes State of Charge-Fenster, vorkonditionierte Zellen, richtige Temperatur) nicht sofort und konstant die volle DC-Ladeleistung in die Batterie fließen kann, haben wir bei Leistungen von 200 kW und höher 20 Prozent (Faktor 0,8) und bei Leistungen von 150 kW und tiefer zehn Prozent (Faktor 0,9) vom Idealwert abgezogen. Eine Ausnahme bildet hier nur der Mercedes EQS. Da er laut Werksangabe in den ersten 15 Minuten aufgrund der konstanten Ladeleistung von 200 kW 300 Kilometer schafft, ergibt dies bei einem gemäß WLTP-Verfahren ermittelten Verbrauch von 15,7 kWh/100 km exakt 212 Kilometer innerhalb der ersten zehn Minuten.

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