No Robot

9.9.2019

Technische und regulatorische Hürden beim Autonomen Fahren

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© Daimler AG


Mitte des Jahrzehnts wollte die Autoindustrie die ersten vollautonomen Fahrzeuge auf die Menschheit loslassen. Daraus wird nichts. Die technischen und rechtlichen Herausforderungen wurden unterschätzt. Selbst Technologieführer Waymo tritt auf die Bremse und sieht noch „Jahrzehnte“ an Arbeit vor sich.

Es ist eines der drei großen Zukunftsthemen, neben Elektrifizierung und Shared Mobility: Das autonome Fahren, gerne präsentiert als Menschheitstraum schlechthin. Die Rhetorik ist bisweilen euphorisch: Jüngst behauptete etwa die Webseite 2025ad.com, autonome Fahrzeuge sorgten für „entspannte Eltern und glückliche Kinder“. Und vor anderthalb Jahren schrieb eine große Tageszeitung: „BMW will schon bis 2021 vollständig autonome Autos auf die Straße bringen.“ Mittlerweile ist die Euphorie verflogen.

Es gibt sechs Automatisierungsstufen von Level 1, ohne jede Unterstützung, bis Level 6 für reine Roboter-Autos, die ohne Lenkrad auskommen. Derzeit steckt die Industrie zwischen Stufe 2 (unterstützt) und Stufe 3 (teilautonom) fest. Viele Systeme der Stufe 2, wie etwa der Tempomat oder die Fahrdynamikregelung, sind bereits seit einem Jahrzehnt auf dem Markt und haben sich dort bewährt. Einige Systeme der Stufe 3 warten auf wichtigen Märkten dagegen noch auf ihre Genehmigung. Eine höhere Automatisierung ist möglicherweise auf eigene Infrastrukturen angewiesen, die erst einmal gebaut werden müssten. Und ob die Politik dazu bereit ist, ist keineswegs gewiss.

Die Industrie hat aber auch die technischen Herausforderungen unterschätzt. Selbst John Krafcik, Chef von Waymo, tritt auf die Bremse. „Bis wir bei allen Straßen- und Wetterverhältnissen vollautonom fahren können, werden noch Jahrzehnte vergehen“, sagte Krafcik auf einem Kongress in Turin. Die Zuhörer trauten ihren Ohren nicht, schließlich hat die Google-Tochter rund drei Jahre Entwicklungsvorsprung vor dem Rest der Industrie. Ausgerechnet auf der Elektronikmesse CES Anfang des Jahres mahnte auch Toyota zur Geduld: Auch im Jahr 2030 sei noch lange nicht im großen Stil mit selbstfahrenden Autos zu rechnen.

Rückschläge durch tödliche Unfälle

Uber sieht sich ganz anderen Hindernissen gegenüber: Der Fahrdienstleister möchte seine Autos künftig ohne die aus seiner Sicht zu teuren Fahrer auf die Straße bringen. In Arizona wurde im März 2018 eine Fußgängerin von einem automatisch gesteuerten Uber-Testfahrzeug überfahren und tödlich verletzt. Seither gibt es Berichte und Videos von anderen Verkehrsteilnehmern, die es sich zur Aufgabe machen, die autonom rollenden Testfahrzeuge zu stören. Mittlerweile haben auch Befürworter des kollektiven Massentransports die Gefahr erkannt, die von autonomen Fahrzeugen ausgeht: Sollten sie sich durchsetzen, könnten sie den öffentlichen Nahverkehr verdrängen. Wer steigt noch in eine überfüllte Straßenbahn, wenn er ein Robotertaxi bekommen kann?

Doch die Konsolidierung ist bereits im Gange: Der Volkswagen-Konzern fasst das Thema in einer neuen Einheit zusammen, die in Wolfsburg und Ingolstadt sitzt und direkt an Konzernchef Herbert Diess berichtet. Daimler und BMW wollen die Technik künftig gemeinsam entwickeln, denn: „Es kostet Milliarden und wir wissen nicht, ob wir jemals etwas daran verdienen werden“, verrät ein hochrangiger VW-Konzernmanager. Längst könnte beispielsweise ein Audi A8 auf Level 3 unterwegs sein, doch die Technik wird zurückgehalten: Das regulatorische Umfeld sei nicht günstig und man könne schlichtweg keine Toten riskieren, heißt es in Ingolstadt.

© Tesla

Nur Tesla, für seine Risikofreude bekannt, hat bereits massenhaft Fahrzeuge mit dem sogenannten Autopiloten auf die Straße geschickt. Er erlaubt weitergehendes autonomes Fahren und seine Überwachungsfunktion ist – vielleicht absichtlich – leicht zu überlisten. Das Internet ist voll von Videos mit Tesla-Fahrern, die in ihrem Zwei-Tonnen-Geschoss mit „Autopilot“ friedlich dösend über amerikanische Freeways rauschen. Gleichzeitig häufen sich die Meldungen über gefährliche Fehlfunktionen: Die Systeme bremsen teils unvermittelt auf gerader Straße. Und es hat bereits Tote gegeben, als die Fahrzeuge in Hindernisse rasten. Tesla weist in jedem Fall die Schuld weit von sich und verweist auf das Kleingedruckte: Der Fahrer sei weiterhin verantwortlich.

Die Kunden bleiben skeptisch

Seriöser agieren in den USA Ford und GM, die mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten. Besonders eindrucksvoll ist das aktuelle Supercruise-System von Cadillac, das über eine ausgefeilte Fahrerbeobachtung verfügt, jedoch nur auf ausgewählten Straßen funktioniert. Die japanische Autoindustrie arbeitet zunehmend enger zusammen: Toyota, Subaru und Honda gehen die Themen gemeinsam an, Nissan verfolgt einen Sonderweg. Dort will man sich erst einmal darauf konzentrieren, die Level-3-Autos zu perfektionieren, bevor Level 4 und 5 auf die Tagesordnung kommen. Mazda wiederum bleibt gelassen: „Wenn das Thema tatsächlich kommt, werden die Komponenten als Commodities verfügbar sein“, heißt es dort. „Kalkuliert konservativ“ ist laut Insidern die Vorgehensweise des Hyundai-Konzerns. Autonome Fahrfunktionen würden konsequent und gemeinsam mit neuen E-Modellen oder Wasserstoffautos ausgerollt.

Autor Jens Meiners bei der Testfahrt in einem Tesla Model 3:
Der Autopilot bremst ohne ersichtlichen Grund.

„Der mediale Hype um das autonome Fahren ist seit gut zwei Jahren vorbei und mit den tödlichen Tesla-Unfällen in der Realität angelangt“, sagt Bernd Hitzemann vom Beratungsunternehmen Cision, das die Berichterstattung der Medien akribisch verfolgt. Er gibt zu bedenken: „Die Kunden sind für das bisweilen sehr technisch kommunizierte Thema nur schwer zu begeistern. Ein überdurchschnittlich hohes Interesse junger, weiblicher oder alter Zielgruppen ist nicht messbar.“ Das größte Interesse, so Hitzemann, zeigten Early Adopters aus der Tech- und Tesla-Community. Die Vision von Bundeskanzlerin Merkel, dass die Bürger im Jahre 2027 nur noch mit Sondergenehmigung selbst am Steuer Platz nehmen dürfen, wird so schnell wohl kaum Realität werden.

Jens Meiners, New York

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