5.9.2025
Fürs Klima dreht Mahle an jeder Schraube
Der Antriebs- und Thermospezialist aus Stuttgart zeigt auf der IAA seine ganze Palette an Technologien für klimaschonende und entspannte Mobilität. Entwickler lassen sich von der Natur inspirieren und schauen auf den Pinguin.

Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz konnte Mahle die Entwicklung eines neuen Radialgebläses für Fahrzeugklimaanlagen deutlich beschleunigen. Die Form der Gebläseflügel ist den Flossen eines Pinguins nachempfunden. Das Vorbild aus der Natur macht das Gebläse leise und effizient.
Europas Straßen sind ein teures Pflaster: Wer hier ein Auto nutzt, zahlt mindestens 41 Euro an Betriebskosten pro 100 Kilometer – wenn ein Verbrennungsmotor mit milder Hybridisierung verbaut ist. „Das ist hier die günstigste Fahrzeugklasse“, sagt Arnd Franz. Der Chef des Antriebs- und Thermospezialisten Mahle hat alle Antriebe, einschließlich des batterieelektrischen, durchgerechnet. Ergebnis: Sie sind im Betrieb teurer als ein Hybrid. Ganz anders in China: Dort sei das Elektroauto das günstigste Fortbewegungsmittel mit umgerechnet 18 Euro pro 100 Kilometer in der Kompaktklasse. Kein Wunder, dass die in China so erfolgreich sind. Allerdings auch nur dort.
Für Mahle bedeutet das, sich breit aufzustellen. „Unser Bekenntnis zum Klimaschutz ist klar. Ebenso unser Bekenntnis zur E-Mobilität. Wir sind bereit“, sagt Arnd Franz. Doch das batterieelektrische Auto ist für Mahle nicht der einzige Weg zur klimaschonenden Mobilität. Neben Produkten für Elektroautos bietet das Unternehmen auch Lösungen für Hybridfahrzeuge und fortschrittliche Range Extender an. Sie erhöhen die Reichweite und erleichtern den Umstieg aufs Elektroauto. Besonders in China erfreuen sich E-Autos mit Reichweiten-Verlängerer (REEV) wachsender Beliebtheit.
Mahle fährt mehrgleisig in die klimaneutrale Zukunft – aus gutem Grund. Während in China und auch in Nordeuropa die Nachfrage nach Elektroautos steigt, halten die Kunden in Südeuropa, Nordamerika und im globalen Süden am Verbrenner fest: Gründe sind Reichweitenangst, hohe Batteriekosten und die ungenügende Ladeinfrastruktur. Deshalb schlägt Mahle eine technische und eine politische Lösung vor. Die technische: Ein Elektroantrieb mit Range Extender. Das System sorgt mit einem Verbrennungsmotor und einem 800-Volt-Generator für den nötigen Strom, wenn die Batterie leer ist. Solche REEV, in China sehr beliebt, sind in Europa noch kaum im Angebot.
Da der Benzinmotor immer im optimalen Betriebspunkt läuft, ist der Antrieb sehr effizient, sagt Mahle-Entwicklungschef Marco Warth: „Klein, leicht, einfach integrierbar und Ressourcen schonend“ sei das System. Der Benzinmotor hat eine Dauerleistung von 116 PS (85 kW) und geht mit einem Wirkungsgrad von 42 Prozent sehr sparsam mit dem Kraftstoff um. Der 800 Volt Generator hat sogar einen Wirkungsgrad von 97 Prozent. Mahle hat dem Rotor des Generators eine direkte Kühlung eingebaut, die den Bedarf an Seltenen Erden verringert. Wird der Motor mit klimaneutralem Kraftstoff betrieben, ist der Antrieb so umweltschonend wie ein rein batterieelektrisches Auto.
Die Antriebsbatterie eines REEV kann kleiner sein, was ebenfalls Ressourcen spart. Der Antrieb ermöglicht Reichweiten von bis zu 1350 Kilometern ohne laden oder tanken zu müssen. Das gibt es nicht mal beim Diesel.
Der Range Extender könnte relativ schnell auf den Markt kommen: „Wir sind in 12 bis 24 Monaten marktreif“, sagt Franz. Wenn europäische Autohersteller zugreifen. In China liefert Mahle bereits Komponenten für Range Extender heimischer Marken.

IAA-Weltpremiere: Das Range-Extender-System von MAHLE besteht aus einem besonders kompakten Hochvoltgenerator und einem effizienten Verbrennungsmotor.
Doch in Europa gibt es neben den technischen auch noch politische Hürden zu überwinden: Die EU-Regulierung ist aktuell auf das reine Batterieauto zugeschnitten. „Wir brauchen aber Technologieoffenheit in der Regulierung – für Klimaschutz, Stärkung der europäischen Automobilindustrie und Erhalt der Arbeitsplätze in Europa.“ Der Verbrenner, betrieben mit erneuerbarem Kraftstoff, müsse eine Rolle spielen im klimaneutralen Verkehr der Zukunft. Für seine Kunden in Brasilien baut Mahle Kolben für die dort beliebten Ethanol-Motoren. Deren Kraftstoff wird aus Zuckerrohr gewonnen und ist weitgehend klimaneutral.
Auch klimaneutral produzierter Wasserstoff spielt im Mahle-Portfolio sauberer Antriebe eine Rolle. Er kann in einer Brennstoffzelle zu Strom oder zu sauberem Kraftstoff für Verbrennungsmotoren umgewandelt werden. „Jeder Plan zu effektivem und schnell wirkendem Klimaschutz im Straßenverkehr ist unvollständig ohne erneuerbare Kraftstoffe. Neben Wasserstoff, besonders im Transportsektor, können für den Individualverkehr auch Biokraftstoffe einen wirksamen Beitrag leisten“, betonte Arnd Franz.
Für den Fahrzeugbestand gibt es ohnehin keine Alternative, um schnell Fortschritte sichtbar zu machen. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse der Anteil erneuerbarer Kraftstoffe im Straßenverkehr, also Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe, bis 2030 auf 30 Prozent steigen. „Wir ermöglichen bereits heute den unmittelbaren Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe ohne Kompromisse“, sagt Arnd Franz. Leider ist die aktuelle Regulierung in der Europäischen Union einseitig aufs batterieelektrische Auto ausgerichtet. Franz: „Die Überarbeitung der CO2-Regulierung in Europa duldet keinen Aufschub. Verbrennungsmotoren, die mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden, müssen als Teil der Lösung anerkannt werden.“
Auch im Elektroauto kommt die Wärmepumpe zum Einsatz
Dabei kann man Mahle nicht vorwerfen, den batterieelektrischen Antrieb zu vernachlässigen. Im Gegenteil: Parallel zum Verbrenner entwickelt Mahle auch Komponenten rund um den Elektroantrieb, zum Beispiel für das Thermomanagement: Weil Batterie und Elektromotor kaum Wärme abgeben, müssen Elektroautos im Winter mit Strom geheizt werden. Doch das kostet Reichweite.
Mahle hat nun ein Thermomangement-Modul entwickelt, das der Abluft aus dem Innenraum die Wärme entzieht und wiederverwendet. Eine hocheffiziente Wärmepumpe, ein Klimakompressor, Wärmetauscher, Kühlmittelpumpen, Sensorik und Steuerung wurden in einer Einheit zusammenfasst: In Verbindung mit einer Wärmepumpe verspricht MAHLE bis zu 20 Prozent mehr Reichweite gegenüber einem System mit Elektroheizern.

Die auf den E100-Betrieb abgestimmte Power Cell Unit von MAHLE reduziert den Kraftstoffverbrauch und senkt CO2-Emissionen.
Da der Antrieb von Elektroautos sehr leise ist, dringen störende Geräusche wie die der Klimaanlage ans Ohr der Insassen. Die Form eines besonders leisen Radialgebläses haben die Mahle-Entwickler deshalb aus der Natur abgeschaut: Die Flügel des Lüfters sind den Flossen eines Pinguins nachempfunden. Fast so lautlos, wie der Pinguin durchs Wasser gleitet, arbeitet auch das Gebläse der Klimatisierung. Es ist 60 Prozent leiser und 15 Prozent effizienter. Das spart Energie und schont die Nerven. Beides kann man in der Automobilindustrie derzeit gut gebrauchen.
Diese und weitere Innovationen zeigt Mahle auf der IAA Mobility vom 9. bis 14. September (Halle A1).
Guido Reinking
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