5.9.2025
Wo Licht ist, ist auch Schatten:
Wie Gentex Blendung verhindert
Die tief stehende Sonne, LED-Scheinwerfer, Fernlicht-Raudis können für gefährlichen Blindflug im Straßenverkehr sorgen. Innovationen von Gentex schaffen Abhilfe.

Herkömmliche Sonnenblenden verdecken einen großen Teil des Sichtfelds. Der Dimmable Sun Visor lässt den Durchblick zu und schützt vor Blendung.
Moderne Fahrzeugbeleuchtung soll die Sicht verbessern, führt jedoch zunehmend zu Sicherheitsproblemen. Eine aktuelle ADAC-Umfrage von 2024 zeigt: Zwei von drei Autofahrern fühlen sich regelmäßig oder gelegentlich durch andere Fahrzeuge geblendet. Besonders häufig werden helle LED-, Laser- und Xenon-Scheinwerfer, hoch angebrachte Leuchten von SUVs sowie automatische Fernlichtsysteme genannt, die zu spät abblenden. Die Folgen reichen von eingeschränkter Sicht bis zu erhöhter Unfallgefahr.
Um die negativen Effekte moderner Beleuchtung zu reduzieren, entwickelt der Zulieferer Gentex seit Jahren eine Reihe innovativer Produkte. Das Portfolio reicht von automatisch abblendenden Innen- und Außenspiegeln über einen kamerabasierten Innenspiegel (Full Display Mirror, FDM) bis hin zu einer teildurchsichtigen, dimmbaren Sonnenblende. Diese lässt sich stufenlos abdunkeln, verhindert Blendung, ohne die gesamte Sicht zu versperren. Sie kann auf Knopfdruck sogar als Schminkspiegel genutzt werden.
Die dimmbare Sonnenblende steht kurz vor der Serienreife. Erste Autohersteller haben bereits Interesse angemeldet. Denn das Feature verbindet mehr Verkehrssicherheit mit mehr Komfort. „Durch die Transparenz der Sonnenblende lässt sich noch erkennen, was vor dem Fahrzeug passiert, zum Beispiel eine auf grün schaltende Ampel“, sagt Craig Piersma, Vice President Marketing & Corporate Communications. Gleichzeitig würde Blendung vermieden. Die Flugzeughersteller Boeing und Airbus verwenden die Technologie von Gentex zum Abdunkeln der Kabinenscheiben ihrer neuesten Maschinen.
Gentex ist in der Automobilbranche vorwiegend für seine automatisch abblendenden Spiegel bekannt. Das Unternehmen wurde 1974 gegründet und hat sich zu einem Technologieanbieter mit umfassenden Kompetenzen entwickelt. Der Rückspiegel wurde zu einem strategischen Modul mit Funktionen wie Kameras, Displays, Transaktionsmodulen und Fahrerbeobachtung ausgebaut. Diese erweiterten Einsatzmöglichkeiten erhöhen die Fahrsicherheit und eröffnen Automobilherstellern neue Möglichkeiten.
Jüngste Entwicklungsstufe des Innenspiegels ist der FDM: Er zeigt wahlweise ein echtes Spiegelbild oder fungiert als Bildschirm einer nach hinten gerichteten Kamera. Diese verhindert nicht nur Blendung und sorgt Tag und Nacht für ein gutes Bild, sie hilft auch der „Rücksicht“ bei Fahrzeugen mit schlechter Rundumsicht. Kein Wunder, dass diese digitalen Spiegel mittlerweile in vielen Fahrzeugen als Serien- oder Sonderausstattung verfügbar sind und sogar in Rennwagen zum Einsatz kommen.
Zudem entwickelt Gentex chemische Komponenten, etwa für die Beschichtung von dimmbarem Glas, und konstruiert Sensoren sowie maßgeschneiderte Kamerasysteme für mehr Sicherheit im und um das Auto, zum Beispiel um ein vergessenes Baby auf dem Rücksitz zu erkennen, was im Sommer schlimme Folgen haben kann.

Gentext produziert in seinem Werk in Zeeland, Michigan, mehr als 50 Millionen Rückspiegel im Jahr. Das 1974 gegründet Unternehmen sieht sich als Technologie- und Marktführer.
Das meistverkaufte Produkt des Unternehmens ist der automatische abblendende Innenspiegel. Es war in den 70er Jahren das erste Produkt von Gentex, das Blendung reduziert. Ein Problem, das seither eher zugenommen hat. Laut der ADAC-Befragung empfinden jüngere Fahrer unter 35 Jahren mit 32 Prozent häufiger Blendung als ältere mit 22,6 Prozent. Ähnliche Ergebnisse melden Automobilclubs aus der Schweiz, Belgien und den Niederlanden. Eine europaweite FIA-Studie bestätigt: Über 70 Prozent der Teilnehmer halten Blendung für störend oder gefährlich, 50 Prozent werden regelmäßig geblendet, 64 Prozent erkennen bei grellem Licht wichtige Objekte schlechter.
Die Ursachen sind vielfältig: hohe Leuchtdichte moderner Scheinwerfer, falsch eingestellt oder verschmutzt, die Bauhöhe von Fahrzeugen wie SUVs oder Transportern, verspätetes Abblenden sowie Schmutz und Nässe auf Windschutzscheiben. Nicht nur Autos, auch Fahrräder und insbesondere E-Bikes können bei falscher Ausrichtung ihrer leistungsstarken LED-Leuchten zu starker Blendung führen.
International wächst der Druck
„Sicherheit im Straßenverkehr bedeutet nicht nur gute Sicht, sondern auch geringe Blendung“, betont ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze. Anne Kliem von der Stiftung Warentest verweist darauf, dass im Stadtverkehr oder auf Radwegen mit Gegenverkehr falsch eingestellte Fahrradlampen zunehmend zum Problem werden.
International wächst der Druck, die Blendwirkung zu regulieren. Die UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) erarbeitet technische Vorschriften, die in über 60 Ländern – darunter allen EU-Staaten – übernommen werden. Themen sind unter anderem maximale Leuchtdichte, verpflichtende Leuchtweitenregelung und Anforderungen an adaptive Lichtsysteme. Erste Arbeitspapiere liegen vor, doch die Erfahrung mit Assistenzsystemen der Geschwindigkeitsassistent (ISA) und das Notbremssystem (AEB) zeigt: Von der Entwicklung bis zur verpflichtenden Umsetzung können sechs bis acht Jahre vergehen.

Der Full Display Mirror von Gentex zeigt auf Wusch ein gestochen scharfes Kamerabild. Damit wird Blendung vernieten und das Blickfeld auf den Bereich hinter dem Auto erweitert.
Bis dahin bleibt Eigeninitiative gefragt. „Es gibt bereits heute wirksame technische Lösungen. Beim Kauf oder der Konfiguration eines Autos sollte man deshalb auf automatisch abblendende Innen- und Außenspiegel achten. Diese reduzieren die Blendung durch nachfolgende Fahrzeuge erheblich“, rät Hendrik Borgmeier, Marketing-Manager bei Gentex Deutschland.
Die Datenlage ist eindeutig: Blendung ist kein individuelles Empfinden mehr, sondern ein nachweisbares Sicherheitsproblem mit internationaler Relevanz. Bis verbindliche Vorschriften greifen, können Technik, Aufklärung und Rücksichtnahme helfen – für mehr Sicherheit auf allen Straßen.