4 >> MOBILITÄT VON MORGEN · VERNETZT - NACHHALTIG - AUTONOM Schaeffler hat auf dem Weg zur neuen, nachhaltigen Mobilität die gesamte Energiekette im Blick Effizienz von der Quelle bis zum Rad I st der Verbrennungsmotor ein Auslauf- modell, das Elektroauto die alleinige Zu- kunft? Der Automobil- und Industriezu- lieferer Schaeffler ist sich da nicht so sicher. Das Unternehmen liefert unter anderem Komponenten für Windkraftanlagen und Elektrofahrzeuge und hat damit wie wenige andere die Energieerzeugung, Speicherung und Verwendung im Blick – „Well to Wheel“, von der Quelle bis zum Rad. Schaeffler kommt zu dem Schluss: „Das Elektroauto ist ein wichtiger Baustein für nachhaltige Mo- bilität, aber nicht der einzige, insbesondere erfordert Ihre weitere Verbreitung den Auf- bau eines neuen Ökosystems bestehend aus der Erzeugung und Speicherung der elektrischen Energie und der Versorgungs- und Verteilungsinfrastruktur in Stadt und Land.“ „Elektrofahrzeuge können die Anfor- derungen der Menschen an individuelle Mobilität in Ballungsräumen grundsätzlich erfüllen“, sagt Professor Peter Gutzmer, Technologie-Vorstand von Schaeffler. Ent- scheidend sei aber auch, wie die Energie für den Antrieb erzeugt und gespeichert wird. Wird die Energie in Kohle- oder Gaskraft- werken erzeugt, verlagert sich die Emission lediglich, statt sie zu vermeiden. So emit- tiert nach Berechnungen von Schaeffler ein Elektrofahrzeug immer noch 44 Prozent der CO2-Menge eines vergleichbaren Fahrzeugs mit Benzinmotor, wenn man den aktuellen Strommix innerhalb der Europäischen Uni- on zugrunde legt. Erst, wenn das Elektro- fahrzeug zu 100 Prozent mit regenerativen Energien geladen wird, sinkt der CO2-Anteil auf nahezu null. EIN BAUSTEIN: WASSERSTOFF Schaeffler fertigt unter anderem Wälzla- ger für Windkraftanlagen, steigert damit de- ren Effizienz und Haltbarkeit. Das Unterneh- men unterstützt Betreiber solcher Anlagen mit Dienstleistungen, die eine Ferndiagnose und eine vorausschauende Wartung ermögli- chen. Um weitere Energiequellen zu erschlie- ßen, forscht Schaeffler mit seinen Partnern auch an ganz neuen Wegen – etwa an der Frage, wie nachhaltiger Strom mit Wellen- und Gezeitenkraftwerken auf wirtschaftliche Weise erzeugt werden kann. Ein weiteres Pro- jekt beschäftigt sich mit Brennstoffzellen. In ihnen wird regenerativ erzeugter Wasserstoff in elektrischen Strom umgewandelt, mit dem man auch Auto fahren kann. Die Schaeffler- Ingenieure forschen, wie eine Brennstoffzelle möglichst kostengünstig und effizient betrie- ben werden kann – etwa, indem sie soge- nannte „Bipolar-Platten“ beschichten, die das Herz jeder Brennstoffzelle darstellen. Gleichzeitig engagiert sich das Unter- nehmen aus Herzogenaurach bei der Elek- trifizierung des Autos: Vom 48-Volt-Hybrid, der den Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs um rund 20 Prozent senkt, bis zur komplet- ten Antriebsachse für batterielektrische Fahrzeuge reicht das Lieferprogramm. Aber auch an der Effizienzsteigerung des Ver- brennungsmotors arbeitet Schaeffler weiter. Insbesondere der 48-Volt-Hybrid, der ohne teure Hochvolttechnik auskommt, gilt als wichtiger Baustein für die Zukunftssicherung des Verbrenners. DESIGNER-KRAFTSTOFFE STATT DIESEL „Der Verbrennungsmotor wird auch weiterhin ein wichtiger Baustein für den Transport von Menschen und Gütern sein“, betont Gutzmer. Ist der Umstieg im Pkw noch relativ leicht vorstellbar, stehen Nutzfahr- zeuge, Schiffe und Flugzeuge vor ganz ande- ren Herausforderungen. Ein 40-Tonnen-Lkw mit batterieelektrischem Antrieb ist schwer, ein Flugzeug überhaupt nicht vorstellbar. Auch der Verbrennungsmotor kann CO2- neutral betrieben werden: Strom aus Sonne, Wind- oder Wasserkraft kann dazu verwen- det werden, synthetisches Erdgas oder syn- thetischen Flüssigkraftstoff herzustellen – insbesondere, wenn die Energie sonst keine Abnehmer findet. Mit Ökostrom lassen sich auch Diesel-Ersatzkraftstoffe synthetisieren. Die so hergestellten Designer-Kraftstoffe können über die gesamte Energiekette hin- weg nahezu CO2-neutral sein. Ihr Vorteil: Im bestehenden Tankstellennetz verteilt, wer- den damit herkömmliche Fahrzeuge mit Ver- brennungsmotoren klimaschonend betrie- ben. Synthetische Kraftstoffe könnten auch eine Lösung für den Güter- und Flugverkehr sein. „Die Mobilitätswelt von morgen wird so vielfältig sein wie die Menschen, die bewegt werden wollen“, sagt Gutzmer. Mit einem ganzheitlichen Ansatz, der die gesamte Energiekette betrachtet und auf dieser Grundlage passgenaue Lösungen entwi- ckelt, will Schaeffler diese Mobilitätswelt aktiv mitgestalten. Guido Reinking