Quo vadis, Autoindustrie?

11.9.2015

QUO VADIS, AUTOINDUSTRIE?

Einen Digitalisierungsgang hochschalten

Andreas Harting, Partner bei Deloitte Digital, sieht dringenden Handlungsbedarf für durchgehende Digitalisierung bei Autokonzernen.

 

Die Automobilbranche steht in der digitalen Ära vor gewaltigen Herausforderungen: Mobilität kommt zwar nicht aus der Mode, das Produkt wird sich aber wandeln – vom Fortbewegungsmittel zum vernetzten, automatisierten Wohn- und Arbeitszimmer mit angeschlossener Kommunikation und Entertainment. Auch das Konsumentenverhalten ändert sich mit der Digitalisierung. Deloitte Digital empfiehlt daher, die aktuell gute wirtschaftliche Lage für den digitalen Umbau zu nutzen, um auch in Zukunft den Marktanschluss nicht zu verlieren und den Kunden von morgen gerecht zu werden.

Als hochtechnologische Vorzeigeindustrie und deutscher Exporttreiber steht die Automobilbranche nach einer hundertjährigen Erfolgsgeschichte vor schweren Entscheidungen: Sie muss sich auf die Digitalisierung einlassen. Genügt es, digitale Projekte auszurollen und teure externe SAP-Berater anzustellen? Ist es ausreichend, in einzelnen Bereichen digital und hochmodern zu agieren, aber insgesamt auf eine durchgehende, alles umfassende Digitalisierung zu verzichten? Das Auto ist schließlich kein digitales, sondern ein reales und emotionales Produkt. Es wandelt sich stärker denn je – wie auch der Konsument, dessen Ansprüche an Mobilität sich mit der Digitalisierung massiv verändern. Umso wichtiger, hier nicht den Anschluss zu verpassen.

Die aktuelle Prosperität ist der richtige Moment, sich auf den unvermeidlichen Wandel vorzubereiten und gegen neue Wettbewerber zu wappnen, die den Markt im Visier haben und auf die neue Währung „Kundendaten“ bauen können. Die Nähe zum Kunden muss neu definiert werden Bisher konnte die Autoindustrie mit Modellen und Features sowie herkömmlichem Massenmarketing Millionen von Kunden mobilisieren. Doch bis heute wird der Kunde noch nicht durchgängig digital entlang des Sales Funnels von Awareness bis Aftersales begleitet, und so bleibt viel Potenzial ungenutzt. In der digitalen Zukunft, in der sich Produktoptionen dank immer günstigerer und flexiblerer Produktionsverfahren enorm erweitern und in der per Mausklick Kundenwünsche digital erhoben und übermittelt werden, wird man sich das nicht mehr leisten können. Stand bisher vor allem die Hardware, das Auto, im Mittelpunkt, so wird in Zukunft die Software entscheidend sein. Das Auto wird Teil des interaktiven Ökosystems, es kommuniziert mit uns und mit anderen Fahrzeugen und verbindet uns so mit der Außenwelt. Es erhebt unentwegt Daten, verarbeitet, speichert und sendet sie und füllt so ein vernetztes Environment, das die Produzenten erst bereitstellen müssen. Kundennähe muss neu definiert werden: Soziale Netzwerke waren nur der Anfang einer Entwicklung, die Kundendaten/-beziehung in den Mittelpunkt von Angebot und Markt stellt. Der Ausbau und die Pflege dieses bisherigen Passiv- und künftigen Aktivpostens „Kundendaten“ werden in Zukunft für jede Industrie essenziell sein, auch für die Autobranche. Die wahre Herausforderung ist es, diese zu nutzen, um daraus Erlebnisse und Angebote zu erstellen und nicht Google das Spielfeld zu überlassen. Die Kontaktpflege kann nur mittels digitalen Systemen funktionieren, die preisgünstig komplexe Daten verarbeiten und die vielfältigen Anforderungen zum Beispiel im OEM-Bereich bewältigen können. Ein Blick in andere Branchen lohnt sich: Versicherungs- und Mischkonzerne zeigen, wie ein digitaler Umbau gelingen kann. Um bei der Innovationsgeschwindigkeit mitzuhalten, bauen diese Unternehmen eine zweite Struktur parallel zum bestehenden Geschäft auf. Man hat erkannt, dass sich IT & Cloud von der Service- und Supportorganisation in eine alle Bereiche umfassende „Business Enabling Function“ entwickeln muss. „Die Vernetzung sämtlicher Kunden- mit Unternehmensdaten entlang aller Customer-Touchpoints ist die Prämisse für ein zukünftiges, integriertes Organisationsmodell“, sagt Andreas Harting, Partner bei Deloitte Digital.

„Auch in der Autobranche herrschen immer noch alte, langsame Legacy-Systeme, die nur schwer grundlegend zu ändern sind. Autokonzerne nutzen ihre digitalen Ressourcen bislang überwiegend im Front-End-Bereich, während das Back-End droht, im alten analogen Flickwerk stecken zu bleiben“, so Harting.

Mehr Kosteneffizienz auch bei den Kundenbeziehungen Hier wird nur gewinnen, wer dank Digitalisierung nicht nur die Kosten der Wertschöpfungskette, sondern auch die der Kundenbeziehung senkt und die Effizienz steigern kann, sodass sich der Mehraufwand lohnt. Nur wer seine Kundenbeziehung optimal und mit modernsten Mitteln pflegt, hat langfristig eine Chance. Deloitte Digital empfiehlt, eine zweite, komplett auf digitale Prozessketten ausgerichtete IT-Säule aufzubauen, die später die aktuelle Struktur ablösen kann. Konzerne sind gut beraten, schnelle, innovative Zellen unter Einbindung der externen Ökosysteme zu errichten und diese Struktur dann auch für innovative Geschäftsmodelle zu nutzen, die auf Telematik, Robotik und Internetanwendungen basieren und die Customer Experience neu definieren. Lesen Sie ab 15. September 2015 auch die aktuelle Deloitte-Publikation aus der „Studienreihe Datenland Deutschland“ zum Thema Connected Car:

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